Superreiche Insider

Ulrich Kirstein mit der Presseschau

Es ist so eine Sache mit unerfüllten Erwartungen: Da gibt’s am Kindergeburtstag die falschen Geschenke oder an Weihnachten hat sich der Wunschzettel nicht als Bestellformular erwiesen, und prompt sind die Kinderaugen groß und traurig, die Stimmung im Keller. In der Wirtschaft werden die Erwartungen der Fachleute ebenfalls gerne enttäuscht, was an der Börse für Kursbewegungen nach unten sorgt. Auch hier gilt, selbst Verbesserungen werden als Verschlechterungen wahrgenommen, wenn sie nicht so gut sind, wie gedacht. Beispiel Inflation in den USA: Erwartet worden war ein Rückgang auf 2,3 Prozent, tatsächlich waren es 2,4 Prozent im September, nach 2,5 Prozent im August. Die Börsen gaben sich verschnupft. Immerhin, am Mittwoch hatte sich die Fed zu Wort gemeldet und für Kurssteigerungen gesorgt: „Fed-Protokolle sind da – Dow Jones und Co klar im Plus“, freut sich Der Aktionär. Aber, um etwaige Erwartungen im Vorhinein zu dämpfen: „Bundesregierung erwartet für 2024 weiteres Rezessions-Jahr“, schreibt das Handelsblatt über die gesenkte Prognose.

Flüsterpost

Die Finanzmagazine raten uns diese Woche, entweder wie die Superreichen zu investieren (Focus Money), die besten Insider-Aktien zu ordern (Börse Online) oder raunen voller Sorge, ob die Börse in Gefahr sei (Der Aktionär), dabei fühlen wir uns ganz stabil. Aber der Reihe nach. „Der Vorstand kauft, der Aufsichtsrat kauft, Sie auch?“, fragt Börse Online und zeigt zwei gezeichnete Manager mit Schlips und Kragen, die sich etwas ins Ohr flüstern. Was? Klar, „die besten Insider-Aktien der Welt“. Hoffentlich geht nichts schief bei dieser Flüsterpost. „Die besten Strategien für das Depot – weniger Risiko, mehr Gewinn“, wer möchte das nicht, Focus Money bietet es uns mit dem Rat dieser Experten auf dem Cover: „Bert Flossbach, Peter Thiel, Warren Buffett, Bernard Arnault, Ken Fisher, Ray Dalio“ und tatsächlich zwei Frauen: „Abigail Johnson“ und „Katharina die Große“, von der wir bisher nicht wussten, dass sie als Börsenspekulantin in Erscheinung getreten ist. Mit einer schwarzen Bombe und Fragezeichen als Zünder vor rotem Grund fragt Der Aktionär besorgt: „Ist die Börse in Gefahr?“ Warum sollte sie das sein? „Pulverfass Naher Osten – Diese 7 Aktien steigen auch in Krisenzeiten“. Nun, hoffen wir, dass das Pulver trocken bleibt.

Sparflamme

Eigentlich ist die Jugend dafür bekannt, dass das Geld locker sitzt, man sich etwas gönnt. Für die Rente sparen? Das ist doch noch lange hin. Am besten mit Aktien handeln und die Gewinne schnell in Konsum umsetzen. Doch die Generation Z, nie um einen neuen Trend verlegen, macht jetzt das Gegenteil, zumindest in China: „Rachesparen: Warum chinesische Jugendliche extrem sparen“, klärt uns Capital auf. Angesagt in den Sozialen Netzwerken sind Spartipps unter dem Motto „Revenge saving“ oder Rachesparen. Rache für was, fragen wir vorsichtig? Für die hohe Jugendarbeitslosigkeit vielleicht, nur knapp die Hälfte der zwölf Millionen Studentinnen und Studenten, die diesen Sommer ihren Abschluss gemacht haben, fanden auch einen Job. Deshalb voll im Trend: Kochen für etwa 1 Euro statt Coffee-to-Go, lieber Selbstgenähtes als Luxusmarken aus dem Westen. Die Zeiten, in denen sich Jugendliche Geld liehen für die begehrte Gucci-Tasche oder das neueste iPhone, scheinen vorbei zu sein. Das wird die europäischen Luxusgüterhersteller weniger erfreuen.

Stresstest

Wer sich an pubertierenden Kinder erfreuen darf, der erlebt gefühlt fast täglich seinen Stresstest. Schüler hinwiederum erfahren fast wöchentlich ihren Stresstest, schließlich hat sich Bayerns Ministerpräsident im Gegensatz zu seiner Kultusministerin ausdrücklich für die Beibehaltung von Exen – unangekündigten Kurztests – ausgesprochen. Um in seinem Kabinett überleben zu können, ist eine gewisse Stressresistenz sicherlich ganz zuträglich. Auch Banken werden einem Stresstest unterzogen – und unsere Vorreden werden auch immer stressiger. „Großteil von Deutschlands Banken besteht laut Aufsicht Stresstest“, meldet Die Zeit online und die Börsen-Zeitung gibt sich zufrieden: „Banken schlagen sich im Stresstest wacker“. Aber was bedeutet es, wenn ein Großteil der Klasse die Latein-Ex bestanden hat? Genau, ein paar haben es nicht geschafft. Eine mittlere zweistellige Zahl von Instituten habe Schwierigkeiten bekommen, heißt es. Die BaFin hatte 1.200 kleinere und mittlere Geldhäuser untersucht. Trösten wir uns also, dass es die allermeisten gepackt haben, obwohl diese Art von Tests ja im Gegensatz zu Exen angekündigt ist.