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Der US-Arbeitsmarkt ist womöglich schwächer, als es scheint
Jim Caron, Morgan Stanley Investment Management
Der Arbeitsmarkt in den USA macht uns Sorgen. Unserer Meinung nach könnte die tatsächliche Arbeitslosenquote höher sein als die für September gemeldeten 4,1 Prozent. Um wie viel höher, ist schwer zu sagen, aber die Arbeitslosenzahlen wurden immer wieder nach unten korrigiert. Wenn es also einen Fehler in den Daten gibt, dann in Richtung einer schwächeren und nicht einer stärkeren Beschäftigungslage. Dies habe Auswirkungen auf die Geldpolitik der Fed. Es könnte bedeuten, dass sie die Zinsen aggressiv senken möchte, aber die Inflation dies möglicherweise nicht zulässt. Denn auch wenn die Teuerung zurückgegangen ist, ist das Umfeld noch immer inflationär.
Die Unsicherheit hat zugenommen
Die Unsicherheit auf dem US-Markt hat immens zugenommen. Gründe dafür sind die Zinssenkung der Fed sowie die bevorstehenden US-Präsidentschafts- und Kongresswahlen. Die Ungewissheit hat zu Volatilität und wilden Kursschwankungen geführt. Anfang November werden wir mehr wissen. Dann dürften sich die Kurse stabilisieren. Natürlich wird es immer wieder Überraschungen geben. Der Höhepunkt der Unsicherheit sollte aber bald überschritten sein.
Schauen wir zunächst auf die Fed. Warum hat sie die Zinsen um 50 Basispunkte gesenkt? Die Erklärungen reichen von einer ‚nachholenden‘ Zinssenkung – die Fed bedauere, nicht schon im Juli angefangen zu haben – bis hin zu einer ‚Sicherheitskürzung‘, um eine sanfte Landung zu sichern. Wir sind jedoch skeptisch und denken, dass mehr dahintersteckt. Unserer Meinung nach hängt es immer noch mit der Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt zusammen. Die Fed könnte besorgt sein, dass der Arbeitsmarkt schwächer ist als die Daten vermuten lassen. Es ist zu beachten, dass die Arbeitsmarktdaten seit der Pandemie unbeständig waren und immer wieder nach unten korrigiert wurden.
Werfen wir nun einen Blick auf die bevorstehenden Wahlen. Was die Kandidaten sagen und wie sie schließlich regieren, kann sich unterscheiden. Die größte Unsicherheit besteht bei Kamala Harris. Analysen zeigen, dass ihr Abstimmungsverhalten im Senat sehr progressiv und weit links ist. Sie verspricht aber, als Gemäßigte zu regieren. Bei Donald Trump ist die Unsicherheit geringer, weil er schon einmal Präsident war. Die Politik beider Kandidaten kann das Haushaltsdefizit erhöhen. Beide sind aber der Meinung, dass sich ihre Ausgaben auszahlen werden: Bei Trump durch Deregulierung und Zölle, bei Harris durch eine progressive Umverteilungspolitik. Am wichtigsten ist jedoch die Zusammensetzung des Kongresses, der den Plänen der Kandidaten zum Durchbruch verhelfen kann – oder eben nicht. Auch das werden wir genau beobachten.
Defensive Werte bevorzugt
Auf dem Aktienmarkt hat eine Verschiebung von zyklischen zu defensiven Werten stattgefunden. Die Marktentwicklung wird breiter. Das heißt: Es bestimmt nicht mehr nur eine kleine Anzahl von Technologiewerten den gesamten Markt. Der Markt fängt an, sich breiter aufzustellen, und Anleger beginnen, sich mit eher Cashflow-orientierten Unternehmen und Aktien zu beschäftigen. Dies führt zu einer stärkeren Ausrichtung auf defensive Sektoren, zum Beispiel Versorger. All diese verschiedenen Marktbereiche beginnen, ebenfalls an der Aufwärtsentwicklung teilzuhaben. Das sorgt für einen gesunden, positiven Trend bei Aktien. Wir sind bei unserer Allokation immer noch neutral mit einer gewissen positiven Risikoneigung.
Eine große Veränderung ist, dass wir Hochzinsanleihen von übergewichtet auf neutral reduzieren und unsere Investment-Grade-Allokation eine Stufe nach oben verschieben. Im Investment-Grade-Bereich sind wir dann nach wie vor untergewichtet, werden die Untergewichtung aber etwas verringern. Wir sind nicht negativ gegenüber Hochzinsanleihen eingestellt. Wir sind aber der Meinung, dass die Renditen zu stark gesunken sind, und warten lieber auf einen Rücksetzer, um wieder einzusteigen. Investment-Grade-Anleihen mit kurzer Duration sind aus unserer Sicht interessant. Daher schichten wir einen Teil der Erlöse aus unserer Reduzierung von Hochzinsanleihen in diese Anlageklasse um.
Jim Caron ist Chief Investment Officer der Portfolio Solutions Group von Morgan Stanley Investment Management