Märkte Aktien
Aktien mit Nachholpotenzial
Benjamin Feingold, Feingold Research
Anleger können mit Hebel- und Anlageprodukten auf die Performance von Unternehmen setzen, die im bisherigen Jahresverlauf nicht gut abgeschnitten haben und zugleich über Kurspotenzial verfügen.
Die Börse erscheint oft schon ein wenig verrückt. Die Wirtschaft arbeitet in Deutschland unter schwersten Wettbewerbsbedingungen. Angesichts des Nullwachstums laufen Firmen hierzulande Gefahr, Marktanteile zu verlieren. Und was macht der DAX, der die 40 wichtigsten börsennotierten hierzulande enthält? Er läuft schnurstracks nach oben und bricht in diesem Jahr alle bisherigen Rekorde. So schlecht ist es für einige der großen Unternehmen offenbar gar nicht bestellt. DAX-Konzerne verdienen zudem ihr Geld ja nicht nur in Deutschland, sondern können sich wegen ihrer globalen Geschäftsmodelle von den Standortbedingungen ein Stück weit unabhängig machen.
Aktuell werden die Märkte immer noch von den Zinssenkungs-Fantasien getrieben. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat zuletzt deutlich signalisiert, im Zuge der zurückgehenden Inflation die Leitzinsen schrittweise zu reduzieren. Das sind gute Nachrichten für Unternehmen. Mit „billiger“ werdenden Krediten können sie über Fremdfinanzierungen intensiver in ihre Geschäftsfelder investieren und dadurch auf steigende Umsätze und Gewinne hoffen. Für Anleger stellt sich die Frage, welche DAX-Unternehmen an der Börse in den kommenden Wochen und Monaten besonderes Kurspotenzial besitzen. Das gleiche Prinzip gilt auch für Unternehmen aus der zweiten deutschen Börsenliga, dem MDAX. Der Mid-Cap-Index spiegelt die Entwicklung der 50 größten Unternehmen wider, die hinsichtlich Marktkapitalisierung und Börsenumsatz den 40 Titeln des DAX folgen.
Die für die Zukunft aussichtsreichsten Titel müssen nicht unbedingt die Werte sein, die in diesem Jahr bereits gut gelaufen sind. Bestimmte Blue Chips haben aufgrund ihrer bisherigen Underperformance deutlich größeres Nachholpotenzial. Gleichwohl ist klar, dass diese Unternehmen zugleich gute Voraussetzungen mitbringen sollten, um künftig am Markt erfolgreich zu agieren.
Lufthansa: Comeback in Sicht
Lufthansa beispielsweise kommen die zuletzt merklich gesunkenen Kerosinpreise gut gelegen. Der MDAX-Konzern meldet zudem hohe Auslastungen und stabile Preise. Dieser Mix könnte sich zum Jahresende noch bemerkbar machen. Zwar führen die stark gestiegenen staatlichen Kosten im Luftverkehr zu einem schrumpfenden Angebot der Branche. Andererseits haben sich europäischen Airlines zuletzt stabilisiert. So gab es bei der Lufthansa Rückenwind im Frachtbereich. Angesichts der niedrigeren Kerosinkosten haben Analysten die Ergebnisschätzungen für den anstehenden Quartalszahlen angehoben. Die Zahlen werden am 29. Oktober veröffentlicht.
Für risikobereite Anleger, die bei der Lufthansa-Aktie steigende Kurse erwarten, können sich Call Open End-Turbos, auch Call-Knock-out-Scheine genannt, eignen. Ein Beispiel ist der Call-Schein von HSBC (WKN: TT4D2E), mit dem Anleger mit einem Hebel von 3 agieren. Das Prinzip: Steigt die unterlegte Aktie zum um 1 Prozent, steigt der Wert des Scheins um 3 Prozent. Der Hebel wirkt jedoch in beide Richtungen: Verliert die Lufthansa-Aktie an Wert, fällt der Kurs des Call-Turbos dem Hebel entsprechend. Die Laufzeit des Scheins ist (theoretisch) unbegrenzt („Open End“). Die Laufzeit endet jedoch umgehend, wenn das Knock-out-Ereignis eintritt. Dies ist bei diesem Papier der Fall, wenn die Aktie die K.O.-Barriere von 4,52 Euro berührt oder unterschreitet. Dann kommt es bei dem Investment zum Totalverlust, der Kapitaleinsatz wäre somit komplett verloren. Aktuell notiert die Lufthansa-Aktie bei rund 6,70 Euro.
Bayer: Gute Nachrichten aus der Pharma-Sparte
Viele Anleger achten bei der Auswahl auch darauf, ob Aktien im Comeback-Modus nahe ihrer 200-Tage-Linie notieren. Aus charttechnischer Sicht wäre der Weg für steigende Kurse frei, wenn diese Linie nach oben durchbrochen wird. Die 200-Tage-Linie liegt derzeit bei Bayer beispielsweise bei rund 28 Euro – der Titel notiert bei rund 26,50 Euro.
Zu Bayer muss man eigentlich nicht mehr viel sagen. Seit Jahren belasten die Folgen der Monsanto-Übernahme, ausgehend vom Hoch im März 2015 hat das einstige Index-Schwergewicht rund 80 Prozent an Wert verloren und liegt rund 40 Prozent unter dem Corona-Tief. Gute Nachrichten kamen zuletzt aus der Pharma-Sparte. Wer verkaufen wollte, müsste inzwischen ausgestiegen sein.
Anleger, die für Bayer zuversichtlich gestimmt sind, aber sich dennoch gegen moderate Kursverluste absichern möchten, können dies zum Beispiel mit dem Bonuszertifikat der UniCredit auf Bayer (WKN: HD9277) umsetzen. Das Teilschutz-Papier läuft bis zum 19.9.2025. Wenn die Aktie während der Laufzeit die Barriere von 22 Euro zu keinem Zeitpunkt berührt oder unterschreitet, erhalten Anleger am Ende eine Bonuszahlung von 32 Euro pro Zertifikat. Bei einem aktuellen Zertifikatepreis von 28,05 Euro entspricht dies einer Rendite von 14 Prozent per annum. Sollte die Bayer-Aktie bei Fälligkeit des Zertifikats über dem Bonuslevel von 32 Euro liegen, nehmen Anleger an der Wertsteigerung der Aktie teil. Reißt jedoch die Barriere, partizipieren Anleger an der Wertentwicklung der Aktie 1:1. Dabei können Verluste entstehen.
DHL: Gute Aussichten für Logistikbranche
Die Aktie der DHL Group (Deutsche Post) steht aktuell bei 38 Euro und damit rund 2 Euro unter der 200-Tage-Linie von 39,96 Euro. Analysten sehen das mittlere Kursziel bei 43,54 Euro. Die Gewinne in der Logistikbranche sollten laut der Experten im dritten Quartal die bereits existierenden Trends bestätigen. Die geplante Erlaubnis der Bundesnetzagentur, bei Briefen die Preise zum Jahreswechsel um rund 10,5 Prozent anzuheben, ist ebenfalls eine positive Nachricht für den Logistikkonzern. Analysten gehen davon aus, dass sich das operative Ergebnis (Ebit) der Bonner im Post- und Paketgeschäft 2025 auf eine Milliarde Euro erholen wird.
Risikobereite Investoren können etwa mit einem Faktor-Zertifikat („Faktor Optionsschein Long“) von Goldman Sachs auf die DHL Group (WKN: GB7A82) mit einem Hebel (Faktor) von 2 setzen. Der Faktor ist der Hebel, mit dem Anleger an Gewinnen und Verlusten des Index partizipieren. Steigt die Aktie zum Beispiel um 1 Prozent, erhöht sich der Wert des Scheins um 2 Prozent. Erfüllt sich die Markterwartung nicht, nehmen Anleger mit dem gleichen Hebel von 2 an den Kursverlusten der DHL-Aktie teil.
BENJAMIN FEINGOLD hat nach seinem BWL-Studium mit den Schwerpunkten Bankbetriebslehre sowie Internationales Management bei verschiedenen Banken im Handel sowie im Research gearbeitet. Noch während seines Studiums hat er erste Erfahrungen an der Börse gesammelt.
Von 2000 bis 2007 war er bei Börse Online für derivative Produkte zuständig, anschließend als freier Redakteur dort tätig. Zu seinen zahlreichen Publikationen zählt das Tradinghandbuch „Handeln mit Futures und Optionen – Ein Leitfaden für den Privatanleger“, das er im FinanzBuch Verlag veröffentlicht hat